Wie entsteht großer Reichtum?

Wie entsteht großer Reichtum?

Wie entsteht Reichtum?

Als reich bezeichnen wir jemanden, der nicht nur wohlhaben ist, sondern so viel Geld besitzt, dass er alleine von den Erträgen seines Vermögens luxuriös leben kann, ohne die Substanz seines Vermögens anzugreifen.

Alle materiellen Werte entstehen durch Arbeit. Aus relativ billigem Holz kann man durch Arbeit ein wertvolles Möbelstück herstellen; dieser Wertzuwachs wird im Folgenden Mehrwert genannt. Der Wert einer Ware ergibt sich auch aus der Menge der für ihre Herstellung nötigen Arbeit (darum muss z.B. man im guten Restaurant mehr für ein Essen bezahlen als in der Systemgastronomie).

Wer tüchtig arbeitet und erfolgreich ist, kann viel Mehrwert generieren und dadurch wohlhaben werden und am Ende seines Lebens vielleicht eine Million besitzen, was allen gegönnt sei.

Aber niemand kann so viel arbeiten (also so viel Mehrwert generieren), dass er dadurch reich wird in dem Sinne, dass man vom Kapitalertrag alleine schon angenehm leben kann, ohne arbeiten zu müssen.

Wenn man aber nur mit eigener Arbeit nicht reich werden kann, dann muss Reichtum die Folge der Aneignung des Mehrwertes sein, der durch die Arbeit anderer geschaffen wurde.

Wie geschieht nun diese Aneignung des Mehrwertes, den andere erarbeitet haben?

Reichtum wird in der Regel vererbt und vermehrt, nicht erarbeitet: In der Regel wird man also nicht reich, sondern man bleibt reich und wird meistens noch reicher.

Deutlich wird das etwa an einer Studie der beiden Italiener Barone und Mocetti. Sie untersuchten  den Reichtum in der Stadt Florenz seit dem Jahr 1427.  Denn seit damals wurden in der ehemaligen Wirtschaftsmacht die Steuern akribisch aufgezeichnet. Und sie kamen zu dem bemerkenswerten Ergebnis:

Die wohlhabendsten Familien von heute haben dort allesamt Vorfahren, die bereits vor 600 Jahren zu den reichsten Familien gehörten: „Wer viel hat, der hat ewig.“1

Ähnliche Befunde zeigen auch Forschungen zu anderen Ländern.

Reichtum überdauert Kriege und Revolutionen. Beispiele für solchen uralten Reichtum sind etwa die Familien Guttenberg oder Thurn und Taxis oder in Düsseldorf die Grafen Spee. Die Siemens waren schon lange vor der Industrialisierung reiche Fernhändler und Bierbrauer in Goslar, und man könnte viele weitere Beispiele anführen.

Wie geschah und geschieht die Aneignung des durch andere geschaffenen Mehrwertes?

In der Vergangenheit in großem Stil etwa …

  • durch feudale Ausbeutung leibeigener Bäuerinnen durch adlige Grundbesitzer im Mittelalter
  • durch ausbeuterische Hungerlöhne während der Industrialisierung
  • durch koloniale und postkoloniale Unterwerfung von meist außereurop. Völkern
  • oder etwa durch unbezahlte Sklavenarbeit wie z.B. im NS-Staat.

Viele Superreiche profitieren auch heute noch davon.

Die Aneignung fremden Mehrwertes ist aber kein Phänomen der Vergangenheit. Sie findet auch heute noch statt

Auch heute gibt es noch Niedriglöhne, die nicht den Wert der Arbeit widerspiegeln.urch die Drohung, Arbeitsplätze in Billiglohnländer zu verlagern, gelang es vielen Unternehmerinnen seit der neoliberalen Politikwende in den 90er Jahre, die Löhne langsamer steigen zu lassen, als es sich eigentlich aus den Produktivitätssteigerungen ergeben müsste. Das Schaubild veranschaulicht dies:

Niedriglöhne müssen dabei keine Hungerlöhne sein (die gibt es auch noch zu oft). Bei uns sind es aber Löhne, die deutlich niedriger sind als der Mehrwert, der durch die entlohnte Arbeit geschaffen wird. Ein Großkonzern zum Beispiel mit 100 000 Mitarbeitern macht nicht selten mehrere Mrd. Gewinn, pro Mitarbeiterin oft mehrere 10 000 Euro, die nicht als Lohn ausgezahlt werden, sondern bei den Kapitalbesitzenden bleiben.

Eine Variante dieser Abschöpfung von Mehrwert praktizieren die „Heuschrecken“: Investoren kaufen Unternehmen oder Anrechte daran mittels Kredite, die über die gekauften Unternehmen getilgt werden. Arbeiter*innen erwirtschaften also den Gewinn, aus dem die Kredite bedient werden, mit denen die Unternehmenskäufe finanziert wurden. Der Finanzinvestorin gehört am Ende ein Unternehmen, ohne dass sie eigenes Kapital eingebracht hat.

Früher, im 19. Jh., war diese direkte Ausbeutung von unterbezahlten Arbeitenden die dominierende Art der Mehrwertaneignung. Das gibt es wie beschrieben auch heute noch, doch zunehmend bedeutsamer wurden Formen der indirekten Aneignung. Kapitalrendite wird heute an den Märkten generiert, und zwar an den Finanzmärkten und den Warenmärkten, nicht mehr nur durch direkte Aneignung des Mehrwerts in den Unternehmen selbst.

Wie funktioniert die Aneignung an den Waren- und Kapitalmärkten?

Mit jedem Produkt, das wir kaufen, bedienen wir das Kapital, denn in jedem Produkt, das wir kaufen, stecken Kapitalkosten: Die Fabrikanlagen werden über Kredite finanziert, die Rohstoffe über Kredite eingekauft, der LKW, der sie transportiert, ist geleast etc.

Alle dafür anfallenden Kreditkosten, also die Zinsen, werden in den Endpreis eines Produktes eingepreist: im Durchschnitt etwa 30 % des Kaufpreises vieler Waren beruhen auf Kapitalkosten. Man kann von nachgelagerter Mehrwertabschöpfung sprechen: Arbeitnehmer*innen bekommen zwar manchmal angemessene Löhne, führen jedoch von ihrem Einkommen mit jedem Einkauf einen bestimmten Anteil an die Kapitalbesitzerinnen ab, die selber keinen Beitrag an der Wertschöpfung leisten, sondern nur das Kapital zur Verfügung stellen und es so vermehren.

Die Bereitstellung des Kapitals geschieht hauptsächlich an den Finanzmärkten:

Man kauft z.B. Aktien und erhält Dividenden oder bekommt Zinsen für Anleihen, oder man realisiert Kursgewinne.

Der Ökonom Piketty hat nachgewiesen, dass große Vermögen über längere Zeiträume eine Kapitalrendite von durchschnittlich 8 % erreichen.

Die Vermögen wachsen damit in der Regel stärker als die Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft. Der Anteil der Kapitaleinkommen am Volkseinkommen wächst damit kontinuierlich, während der Anteil der Lohneinkommen entsprechend sinkt.

Atypische Formen der Reichtumsbildung

  • Organisierte Groß-Kriminalität: Dabei gibt es oft einen fließenden Übergang von legaler und illegaler Unternehmenstätigkeit, von Staat, Mafia und Großunternehmen historische Beispiele dafür:
  • Arisierung jüd. Unternehmen
  • Ausplünderung eroberter Gebiete: Wer marschiert hinter dem ersten Tank? Das ist Dr. Rasche von der Dresdner Bank!
  • kriminelle Machenschaften der Banken, wie z.B. der Verkauf von gefährlichen und betrügerischen „Wertpapieren“, wie diejenigen, die die Weltfinanzkrise 2008 ausgelöst haben. So wurden die Finanzleute (Banker, Anwälte, …) reich.

Zuletzt muss noch erwähnt werden, dass Reichtum zwar selten, aber auch heute bisweilen neu entsteht aufgrund von persönliche Leistungen, die der Markt mit viel Geld honoriert; in der Medienbranche oder im Spitzensport etwa. Auch hier beobachten wir oft – nicht immer -, dass der Reichtum gekoppelt ist an „unfaire“ Mittel wie Steuervermeidung, die den Reichtum gegen eine angemessene Heranziehung zu öffentlichen Leistungen (Besteuerung) schützen, oder die Vermarktung von Prominenz für fragwürdige Werbezwecke.

Und auch für diesen Reichtum gilt, dass er niemals nur das Resultat einer genialen Leistung alleine ist, sondern immer auch auf einem gesellschaftlichen Umfeld beruht, das diesen Reichtum erst ermöglicht, und der auch niemals allein verdient wird, sondern immer in Zusammenarbeit mit anderen, die oft nicht angemessen an diesem Reichtum partizipieren. Allein in Düsseldorf z.B. sollen in den kommenden Jahren 120 Millionen Euro in die Modernisierung der großen Veranstaltungsstätten gesteckt werden, und für die Übertragungsrechte der TV-Anstalten werden jährlich Hunderte Millionen bezahlt, überwiegend über gesetzlich vorgeschriebene Rundfunkbeiträge aller. Nur so, durch diese Vorleistungen der Gesellschaft, sind die Spitzeneinkommen der „Stars“ möglich.

1 https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/studie-ueber-soziale-durchlaessigkeit-reich-vererbt-sich-1.3025330