Je städtischer, desto größer das Problem: die Großstädte erfahren die höchsten Mietsteigerungen. Immer mehr Menschen können sich keine angemessene Wohnung leisten – auch in Düsseldorf. Es dominiert das Luxussanieren und Bauen von hochpreisigen Wohnungen. Warum ist das so, und wie kann Wohnen wieder bezahlbar werden? Beim Politischen Frühstück von attac am 3. Februar 2019 beleuchteten Thomas Eberhardt-Köster vom bundesweiten Koordinierungskreis und Horst Kraft von attac Düsseldorf das Thema und diskutierten mit dem Publikum.
Düsseldorf: Luxusquartiere und Wohnungslosigkeit nehmen zu
“Immer mehr Luxusquartiere, steigende Mieten, weniger Sozialwohnungen und Zunahme von Wohnungslosigkeit” – so fasste Horst Kraft die Situation in Düsseldorf zusammen. Gemäß dem Wohnungsmarktbericht stehen hier 3,6% der Wohnungen leer. Düsseldorf hat die höchsten Grundstückspreise in NRW, die außerdem im Jahr 2017 um 8% gestiegen sind. Auch die Mieten sind in diesem Jahr gestiegen. So betrug die mittlere Nettokaltmiete für Wohnungen von 65 bis 80 Quadratmeter 9,55 Euro. Sie ist damit innerhalb von drei Jahren um einen Euro teurer geworden.
Schwarz-Gelb liebt den Markt
Während unter Schwarz-Gelb der Wohnungsbau weitgehend dem Markt überlassen wurde und von profitorientierten Investoren bestimmt wurde, gibt es seit 2013 ein Handlungskonzept Wohnen, das 2016 nochmals geändert wurde. Es sieht bei neu zu bebauenden Arealen, für die ein Bebauungsplan existiert, insgesamt 40% teils öffentlich geförderte teils preisgedämpfte Wohnungen vor, letztere mit einer (immer noch beträchtlichen) Kaltmiete von maximal 10 Euro. Nicht vorgehen kann die Stadt Düsseldorf gegen absichtlichen Leerstand: eine Wohnraum-Schutzsatzung scheiterte 2018 am Widerstand von CDU und FDP, wie Horst Kraft ausführte. Im Spekulationsgeschäft mit steigenden Grundstückspreisen mische die Stadt kräftig mit: immer wieder seien städtische Grundstücke meistbietend verkauft worden, um den Haushalt zu sanieren.
Satte Profite im Immobiliengeschäft
Auch profitorientierte Konzerne sind im Wohnungsmarkt neben den Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften wie SWD und DWG aktiv: Zum Beispiel die LEG. Sie befand sich ehemals im Besitz des Landes NRW, bevor die CDU-FDP-Landesregierung sie 2008 an eine Immobilientochter der Investmentbank Goldman Sachs verkaufte. Mittlerweile ist Black Rock Großaktionär bei der LEG – ebenso wie bei der Vonovia, dem mit 350.000 Wohnungen größten deutschen Wohnungsunternehmen, dem auch in Düsseldorf eine (unbekannte) Anzahl von Wohnungen gehört. Vielen Düsseldorfern dürfte das Grundstück bekannt sein, mit dem Horst Kraft seinen Überblick über den Düsseldorfer Wohnungsmarkt schloss. Es zeigt nochmals, welche beträchtlichen Profite sich im Immobiliengeschäft erzielen lassen: Das Gelände der Gerresheimer Glashütte kaufte die dänische Patrizia Immobilien für 60 Millionen Euro und verkaufte es in der Folge für 120 Millionen Euro weiter.
Wohnen: Ware oder Menschenrecht?
Wohnen ist ein Menschenrecht, nachzulesen in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – daran erinnerte Thomas Eberhardt-Köster. Im Kapitalismus sei Wohnen dagegen eine Ware. Der Boden sei eine Ware, er bestimme wesentlich die Miete, und die Mieten würden über den Markt ermittelt. Allerdings habe der Staat das Recht, in den Wohnungsmarkt einzugreifen: „Eigentum verpflichtet“, so steht es im Grundgesetz.
Wie der Markt die Oberhand gewann
Die heutige Situation sei eine Folge der rot-grünen Gesetzesänderungen Anfang der 200er Jahre. Damit zeigte Thomas Eberhardt-Köster die wirtschaftspolitischen Zusammenhänge jener Auswirkungen, die die Menschen heute hautnah erleben: Anfang der 1990er Jahre wurde die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft; sie gewährte Steuerbegünstigungen für städtische Wohnungsgesellschaften. Öffentliche Wohnungsbestände wurden verkauft – allein 98.000 Wohnungen zwischen 2003 und 2013. Weniger Sozialwohnungen wurden gebaut, bei gleichzeitiger Liberalisierung der Finanzmärkte.
Nicht nur gierige Konzerne
„Mit Immobilien kann man ohne Weiteres gut 3% Rendite erzielen – heute ist dies angesichts niedriger Zinsen eine sehr attraktive Anlageform“, sagt Thomas Eberhardt-Köster. Gleichzeitig gebe es viel Vermögen auf der Suche nach einer profitablen Anlage, bedingt durch die Zunahme der Einkommens- und Vermögensungleichheit. Es sind allerdings nicht nur die Vonovias, Blackrocks und Co., die investieren. Unter den großen Anlegern sind auch viele Pensionsfonds. Mit der Einführung kapitalgedeckter Rentensysteme in vielen Ländern (wie die „Riester-Rente“ in Deutschland) verwalten sie die Einzahlungen vieler Bürger*innen.
Das Problem sitzt tiefer
Thomas Eberhardt Köster machte deutlich, dass das Problem die Strukturen sind, und man, um es zu lösen, auch die Verteilungsfrage und die Rentenversicherungsfrage stellen muss. Dazu gehöre auch, die überschießenden Vermögen abzuschöpfen mit einer Vermögensteuer und einer Vermögensabgabe. Da sich viele Menschen marktgerechtes Wohnen nicht leisten könnten, müsse man dem Wohnen seinen Warenwert nehmen, zumindest im unteren Preissegment.
Eine historische Chance auf Veränderung
Das Thema „Wohnen“ ist gegenwärtig eines der großen sozialen Themen in Deutschland. In Berlin organisieren sogar Mieterinitiativen ein Volksbegehren mit dem Ziel, die Deutsche Wohnen zu enteignen.
Thomas Eberhardt-Köster skizzierte, wie man diese historische Chance ergreifen und das Recht auf Wohnen verwirklichen könnte: Die aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts ohnehin nötige Reform der Grundsteuer sollte für eine Bodenreform genutzt werden, die den Handel mit Grund und Boden einschränkt, Grundstücke nach ihrem Wert besteuert und das Abwälzen der Grundsteuer auf die Mieter*innen verbietet. Außerdem sollte die Steuerbegünstigung für städtische Wohnungsgesellschaften wieder eingeführt werden. Gemeinden sollten keinen weiteren Boden mehr verkaufen und den kommunalen Wohnungsbau verstärken.
Wie die Städte wieder Handlungsspielraum gewinnen
Das Eigentum am Boden sollte in städtischen Ballungsräumen auf die Gemeinde übergehen, die es privaten Investoren oder Genossenschaften zeitlich befristet zur Nutzung überlassen kann. Diese Idee stammt nicht von Karl Marx, sondern von Hans-Jochen Vogel: die SPD hatte Anfang der 1970er Jahre derartige Überlegungen angestellt.
Beim Wohnungsbau sollten die Städte statt auf Großunternehmen auf dezentrale kleine Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften setzen, die zudem demokratisch organisiert sein sollten, etwa indem in den Aufsichtsgremien neben Eigentümer*innen auch Beschäftigte und Mieter*innen vertreten seien.
Viele sind betroffen
In und außerhalb der Diskussion beim Politischen Frühstück im zakk wurde deutlich, dass das Thema viele Menschen bewegt. Da gab es eine von Gentrifizierung bedrohte Zuhörerin, die für das Recht auf bezahlbares Wohnen erstmalig bei einer Demonstration mitgehen würde, oder den Wohnungseigentümer, in dessen Haus ein Großkonzern nach und nach alle anderen Wohnungen aufkauft. Es kamen Fragen auf, ob Düsseldorf nicht eine Milieuschutz-Satzung erlassen könne, um dem Luxus-Sanieren von Stadtvierteln entgegenzuwirken, oder eine Zweckentfremdungs-Satzung, um gegen spekulativen Leerstand und Airbnb-Vermietungen vorzugehen.
Hingewiesen wurde auf selbstorganisierte Hausprojekte, die Wohnraum dauerhaft dem Markt entziehen, wie das Mietshäuser Syndikat, und dass diese gefördert werden sollten.
Düsseldorfer*innen vernetzen sich
Und es zeigte sich, dass Düsseldorf schon begonnen hat, sich zu organisieren: Eine Vertreterin der Initiative Kiefernstraße berichtete über den geplanten Bau eines Hotels und von hochpreisigen Mikro-Apartments auf einem Parkplatz an der Kiefernstraße. Die Initiative fordert eine Beteiligung der Menschen, die im Viertel wohnen und sammelt mit einer Petition Unterschriften.
Auch die Bewegung „Aufstehen“ befasst sich mit dem Thema Wohnen, wie eine Zuhörerin berichtete. Im Düsseldorfer Bündnis für bezahlbaren Wohnraum haben sich schon zahlreiche Initiativen vernetzt; auch attac gehört dem Bündnis an. Man darf gespannt sein, was sich noch tut.
Liste der Vorschläge:
- Grundsteuer: Besteuerung nach dem Bodenwert (einschließlich Verbot, die Grundsteuer auf Mieter*innen umzulegen)
- Bodenreform: Boden soll der Gemeinde gehören, Private können ein Nutzungsrecht erhalten (aber kein Eigentum)
- Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit (Steuervorteile für städtische Wohnungsgesellschaften)
- Verstärkung des kommunalen Wohnungsbaus
- Kein weiterer Verkauf öffentlichen Grund und Bodens
- Stattdessen: Erbpacht (zeitlich befristetes Recht auf Nutzung) an Wohnungsgenossenschaften oder private Investoren
- private Wohnungskonzerne enteignen und dezentralisieren
- Sozialere Einkommens- und Vermögensbesteuerung, um überschießende anlagesuchende Vermögen abzuschöpfen
Buchtipp:
Attac Basistext 52: Wohnen ist Menschenrecht
von Thomas Eberhardt-Köster, Wolfgang Pohl u.a., VSA Verlag, 96 S., 7 Euro.
Leseprobe AttacBasisTexte52-Wohnen-ist-ein-Menschenrecht
Buchhandlungstipp: BiBaBuZe (Bilk)